„Und sonntags auch mal zwei…“


 Ritzeratze, Ritzeratze. Was höre ich aus Nachbars Garten? Vor ein paar Tagen: Es ist der erste herrliche Sommertag und ich sitze auf unserer Terrasse am Laptop. Das Geräusch aus dem Wilhelm-Busch-Buch meiner Kindheit kommt mir bekannt vor: „Ritzeratze, voller Tücke…“ mir ist als höre ich die Vorlesestimme meiner Omi.
 
Die Neugier treibt mich an den Gartenzaun. Ganz hinten am Grundstücksende kann ich mal vorsichtig über den Zaun spinksen und sehe Nachbartochter und Nachbarvater werkeln. Schippe, Eimer, Spaten, sogar Holzpflöcke stehen zum Einschlagen bereit. Was mögen sie dort wohl gerade erschaffen? Unser beider Grundstücke, wie auch unsere Portemonnaies, sind zu schmal für einen Swimmingpool mit Badehaus á la Milliardärsgattin C.Z. Guest, die sich vor solcher Kulisse immer wieder für die Nachwelt von Slim Aarons fotografieren ließ.
 
Die Nachbartochter, ich nenne sie mal Viktoria, klärt mich stolz über ihr aktuelles Bauvorhaben auf: Ein Hühnergehege soll entstehen. Die Pandemie hat ihren ausgeprägten Wunsch nach einem Haustier verstärkt. Da jedoch der Vorschlag einen Hund zu halten elterlich schnell abgelehnt wurde, möchte sie nun gleich mehrere Tiere halten, dafür aber kleinere und zwar Zwerghühner.
 
Die Nachbarmutter klärte mich später ausführlicher auf, dass es sich um sogenannte „Friesenhühner“ handeln wird und wie viele Eier und in welcher Größe diese legen werden. Viktoria hat sich um ihren Wunsch nach Tieren durchsetzen zu können, ausführlich mit der Thematik beschäftigt bis hin zur Suche einer Urlaubspension, welche die Hühner während familiärer Abwesenheit aufnehmen würde. Dieser Punkt beruhigt meinen Ehemann sehr, da wir so nicht anbieten müssen die Hühnerherde während der Ferien zu hüten. Durch den früheren großelterlichen Bauernhof weiss er nur zu gut aus Kindertagen, dass Tierhaltung auch Verantwortung bedeutet, z.B. Ställe reinigen zu müssen.
 
Da hörte man ja so einiges was Familien während der Lockdowns alles gemacht haben sollen: Spazieren gehen, Lesen, Homeschooling, Keller aufräumen, Stricken, Kochen, Schach spielen, Serien gucken, Nähen, Zoomparties, Gärtnern, aber so ganz wusste man es eben doch nicht.
 
Dies ist wirklich meine Lieblingsgeschichte aus den Bad Godesberger Gärten im zweiten Coronasommer: Ein „Self made Hühnergehege“ gleich nebenan. Aktuell leben die Hühner im Freigehege mit einem kleinen Haus. Im Spätsommer sollen sie ein größeres Haus beziehen. Mal schauen, was ich als Immobilienmaklerin bis dahin anbieten kann. In meiner Kundenkartei sind sie jedenfalls schon einmal vorgemerkt 🙂
 
Mittlerweile weiß ich von drei Familien im Bekanntenkreis mit eigener Hühnerfarm. Unsere liebste Nachbarschaft wird bestehen trotz Gegacker und Eier wurden uns auch schon gebracht. Da die vom Friesenhuhn etwas kleiner sind nehmen wir gerne „sonntags auch mal zwei“.

(Fotograf: Bernd Bodtländer. Eine Verwendung der Bilder außerhalb dieser Website ist nicht gestattet.)